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1968

Die 68er Kommune und die neue Community

Ludwig Binder / wikimedia commonsStudenten diskutieren, schreiben, lachenZur Zeit der Studentenrevolte war das halbe Leben Diskussion, die andere Hälfte ausgelassenen Leben

„Ich habe mich noch nie mit den Verhältnissen zurechgefunden“, sagt Alt-68ger Rainer Langhans. In einem fundamental christlichen Internat der Herrnhuter Brüdergemeine groß geworden, ging Langhans 1960 zur Bundeswehr, setzte sich nach seiner Dienstzeit mit dem Faschismus auseinander, wirkte an spektakulären Protesten mit, traf Mitglieder der Roten Armee-Fraktion und wandte sich schon bald der „Kommune I“ zu.

Janericloebe-wikimediaRainer LanghansRainer Langhans zog 1967 in die Kommune I ein

Mit den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg begann in den USA die Protestbewegung. Die Jugend suchte nach neuen Lebensformen und forderte mehr Teilhabe an den Lebens- und Entscheidungsprozessen der Gesellschaft, also Partizipation. In Deutschland kam ein zentrales Thema hinzu: die Auseinandersetzung mit den Eltern und dem Nationalsozialismus. Wie andere auch, begann Rainer Langhans zu ahnen, „dass wir auf einem Leichenhaus sitzen.“ Er meinte: „als die Kinder von Mördern würden wir auch Mörder werden“.  

Umsteiger in eine neue Gesellschaft

Die kritische Jugend in Deutschland  wollte und konnte nicht an die Gesellschaft vor dem Krieg anschließen, wie es die Amerikaner taten, stellt Langhans fest. „Die waren bestenfalls Aussteiger, wir aber mussten Umsteiger in eine neue Gesellschaft werden.“ Es reiche aber nicht, nur die Verhältnisse zu ändern. Das zeige der Terror nach der Oktoberrevolution. Er und viele andere erkannten das „Übel in der Kleinfamilie“. In dieser sei der Terror des Faschismus begründet.  Und so zog Langhans im März 1967 in die gerade gegründete „Kommune I“ in Berlin ein.

In der Kommune gab es keinen Privatbesitz mehr und keine Zweierbeziehungen, „nur Revolutionierung des Alltags“, wie Langhans erzählt. Sex sei nicht das Thema gewesen, sondern „allgemeine Zärtlichkeit“. Auf engstem Raum habe man sich seine „Mördergrube“ vorerzählt.  Für Langhans waren das „spirituelle Erfahrungen“. In der Kommune habe er „höhere Erfahrungen“ erlebt. „Wenn du einmal im Paradies warst, kannst du in der Hölle nicht mehr leben.“

Spirituelle Erfahrung nicht in der Kirche gefunden

Von der Kirche habe man damals nichts gehalten, „allein schon wegen ihrer Geschichte“. Und die evangelische Kirche sei ja „sowieso nur sozialethisch unterwegs gewesen“.  Deshalb sei er sich auch nicht mit Helmut Gollwitzer einig geworden. Heute bedauert Langhans „dass die Kirche so war und wir mit ihr nichts anfangen konnten“. Die Kirche müsste doch spirituelle Erfahrungen am besten kennen.  Aber sie sei so weit von ihren Anfängen und der Nachfolge Christi entfernt.

Auseinandersetzung mit der Gewalt der RAF

Eng befreundet war Rainer Langhans in der frühen Zeit mit Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Holger Mainz. Über diese führenden Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) sagt Langhans heute: „Diese Menschen sind wieder in ihre alten Körper zurück gesunken.“ Die RAF habe den Staat provoziert, „sein wahres Gesicht zu zeigen“, aber wer kämpfe habe schon verloren. „Die Gewaltlosigkeit ist das mindeste, was du üben musst.“ Er habe sich nicht in seinen „Männerkrieg zurück ziehen lassen“ wollen. „Ich wollte lieber was mit den Frauen machen.“ 

Das Internet ist die neue Community

An der Lebensform der Kommune hat Rainer Langhans bis heute festgehalten und lebt in einer Kommune in München. Die Kommune sei die Lebensform, um mit den spirituellen Erfahrungen umzugehen. Und jetzt habe er das Internet als „enorme kommunikative Steigerung“ entdeckt: „Die neue Form der Kommune heißt Community“. Der lange Marsch durch die „äußeren Institutionen“ habe ein Stück weiter gebracht. Jetzt komme es auf die „inneren Institutionen“ an, alles spirituell durchzuarbeiten, um zu erkennen: „Wir sind geistliche Wesen, die lieben können.“ Das Internet sieht Langhans als befreiten Raum. Da sehe er all die Dinge, „die wir früher schon gesehen haben“. Dass Langhans damit keine bürgerlichen Werte trifft, weiß er, denn er sagt: „Ich bin verrückt geblieben.“

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