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Glaube braucht verständliche Sprache

Margot Käßmann in Nassau

Bernd-Christoph MaternMargot Käßmann sitzend im PublikumMargot Käßmann in Nassau

In der Nassauer Stadthalle und bei einer Live-Übertragung in die Johanniskirche erwarteten mehr als 600 Menschen gespannt den Vortrag von der EKD-Botschafterin für das Jubiläum, Prof. Dr. Margot Käßmann.

Bernd-Christoph MaternMargot Käßmann am RednerpultMargot Käßmann in Nassau

NASSAU/RHEIN-LAHN. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) fiebert derzeit mit unterschiedlichen Themenjahren dem 500. Jahrestag der Reformation 2017 entgegen. Die vom evangelischen Dekanat Nassau eingeladene prominente Theologin hatte keine 95, sondern nur zehn Thesen mitgebracht, in denen sie aber umso prägnanter das Vermächtnis Luthers und der Reformation in einer säkularisierten Welt verdeutlichte.

Vielfalt, Ökumene, der Dialog der Religionen, Konzentration in säkularer Zeit, die Rolle der Frauen, Spaltung, Bildung, Freiheit und Rechtfertigung in einer Erfolgsgesellschaft sowie die Globalisierung waren Schlagworte und Schwerpunkte in Käßmanns Vortrag, mit dem sie zeigte, welche Akzente das Jubiläum für Kirche und Gesellschaft setzen kann. Dem historischen Rückblick, der auch Luthers Haltung zu Judentum und in den Bauernkriegen nicht aussparte, gesellte sich ein Impulsreigen hinzu, wie der christliche Glaube heute dem Alltag jedes Einzelnen und in der Gesellschafft Sinn geben und ihn bereichern kann. 

„Wie sprechen wir vom christlichen Glauben, dass es die Menschen anspricht?“, ist für die Theologin dabei eine entscheidende Frage, die an Luthers Art, dem „Volk aufs Maul“ geschaut zu haben, anknüpfe. Wenn sich Menschen Buddha-Figuren hinstellen, weil sie „irgendwie beruhigend wirken“, habe das nichts mit Religion zu tun, so Käßmann. Dem Glauben und dem Leben wieder mehr Substanz zu geben, sei eine Aufgabe der Reformation. Religion werde oft unterstellt, nicht zu fragen, sondern schlicht zu glauben. Doch reformatorisches Anliegen sei: selbst zu denken, zu reflektieren, verstehen zu können, fragen und hinterfragen zu dürfen, auch die Bibel. Fundamentalismus in jedweder Religion, Dogmatik und Glaubensinstanzen erteilte Käßmann eine Absage. 

Vehement warb die Theologin für einen gebildeten Glauben, für den sich Luther eingesetzt habe, dem auch die Volksschulen in Deutschland zu verdanken seien. Da herrsche derzeit nicht nur eine Glaubens- sondern auch eine Bildungsarmut in Deutschland. „Wo haben wir noch Texte und Lieder, die wir teilen können, auch wenn es einmal eng wird im Leben?“, fragte Käßmann, die gern jedem Kind ein Handgepäck mitgeben würde, damit sie auch als Erwachsene einmal beten und singen können, wenn sie es bräuchten. 

Die Frage der Ökumene war nur einer vieler Aspekte des einstündigen Vortrags. Sie würde im Jahr 2017 gern Modelle feiern, Spaltungen zu überwinden, nicht nur die zwischen Religionen und Konfessionen, sondern vor allem die innerhalb der evangelischen Kirche. Früher habe es Streit gegeben, wenn eine Lutheranerin einen Reformierten heiraten wollte. „Heute können sie froh sein, wenn ihre Tochter überhaupt noch einen Christen findet.“ Gleichzeitig warnte Käßmann vor Gleichmacherei unter Christen. „Es steckt auch eine kreative Kraft in der ökumenischen Differenz.“

Nach dem Vortrag stellte sich die Referentin Fragen aus dem Saal, zu denen Dekan Friedrich Kappesser animierte. Dabei machte sie den Zuhörern Mut, keine Angst vor dem „Kleinerwerden“ zu haben und nannte gemeindliche Beispiele aus Osteuropa. „Klein kann auch ganz schön oho sein!“, so Käßmann. Was den Wahrheitsgehalt biblischer Wundererzählungen oder der Auferstehung Jesu anbelangt, erklärte sie, dass für ihren Glauben die Gleichnisse Jesu wie das vom verlorenen Sohn wichtiger seien als Wunder. Ostern sei hingegen der Kern christlichen Glaubens, als die Jünger und Frauen gemerkt hätten, dass dort Gott am Werk war, ein „Funke von dem, das über unsere menschliche Vernunft weit hinausgeht“.

Was liturgische Gestaltungen anbelange, sei Vielfalt bereichernd. „Nicht alle müssen alles gleich machen“, so Käßmann. „Schwierig wird es, wenn Gottesdienst nur noch auf der Bühne stattfindet. Das ist unlutherisch. Evangelisch ist, dass die Gemeinde beteiligt ist.“ Das galt auch für den Abend selbst. Als der Dekan wie aus dem Publikum gewünscht, über ein Abschlusslied mit reformatorischem Inhalt nachdachte, fackelte Käßmann nicht lange: „Ach, da nehmen wir doch ,Der Mond ist aufgegangen' – das kennt auch jeder!“ Der Gesang beschloss den bildungsreichen Abend in Nassau. Autogrammwünschen kam die Referentin aber auch noch nach.

WÖRTLICH
 
„Das war ein ebenso fundierter wie lebhafter Vortrag, dem man sehr gut zuhören konnte; auch die spontanen Antworten auf nicht ganz einfache Fragen, etwa dass ihr die Gleichnisse wichtiger sind als Wunder, hat mir sehr gut gefallen!“
Karl-Hans Born, Singhofen, evangelisch
 
„Toll, dass sie hier war! Mit diesen Worten kann man etwas anfangen, da kommt etwas rüber; auch meinem Mann, der katholisch ist, hat diese erfrischende evangelische Art gut gefallen.“
Gisela Hebben, Bad Ems, evangelisch
 
„Die Fahrt hat sich mehr als gelohnt. Das war ein tief beeindruckender Abend. Ein solch kluger und wortgewandter Vortrag stärkt auch den eigenen Glauben.“
Inge Schmidt, Scheidt, evangelisch 
 
„Ihr Wunsch, Symbole und Zeichen für die Einheit der Christen zu finden wie die geniale Erinnerung an die gemeinsame Taufe beim ökumenischen Kirchentag in Berlin, kann ich nur unterstützen; aber sie müssen natürlich auch gemeinsam besetzt sein.“
Pater Bernhard Bornefeld, Kloster Arnstein
 
„Sie erzählte von Luther, der die Alltagssprache der Menschen sprach, dabei weiß sie selbst hochtheologische Zusammenhänge verständlich auszudrücken. Das finde ich faszinierend!“
Udo Rau, katholischer Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nassau

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