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„Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut!“

Kirchenpräsident Jung bringt die Kompassnadel des Schwulen Netzwerks NRW nach Darmstadt

Stephan KrebsJung hält die Auszeichnung in der HandDr. Volker Jung und Laudator Markus Herzberg (rechts)

Kirchenpräsident Dr. Volker Jung hat am Samstag die Kompassnadel des Schwulen Netzwerks NRW in Empfang genommen. Mit dieser renommierten Auszeichnung wird im Rahmen des Christopher-Street-Days in Köln außergewöhnliches Engagement für die Akzeptanz von homosexuellen, transsexuellen und bisexuellen Menschen in der Gesellschaft geehrt.

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Jung hält die Bronzeskulptur in der Hand Jung am Rednerpult Jung mit der Bronzeskulptur in der Hand

Die Kompassnadel wiegt schwer. Genau genommen ist sie eine Bronzeskulptur, die sicher 40 Zentimeter hoch ist und fünf Kilogramm wiegt. Sie wird nun für ein Jahr in Darmstadt stehen und dann weitergegeben.

Verhaltene Kritik im Vorfeld

Vor der Verleihung war mit Spannung erwartet worden, wie die Ehrung bei den 700 meist schwulen und lesbischen Menschen im Saal ankommen würde. Im vergangenen Jahr hatte es im Vorfeld der Preisverleihung an die Redaktion des SPIEGEL heftige Proteste gegeben, weil viele Homosexuelle anzweifelten, ob diese Ehrung angemessen sei. Ähnliche Stimmen waren, wenn auch verhaltener, zur Nominierung des Kirchenmanns Jung geäußert worden. Verwiesen wurde dabei auf die Jahrhunderte währende tiefe Verstrickung der Kirchen in die Diskriminierung von homosexuellen, transsexuellen und bisexuellen Menschen. Die Spannung unter den Besucherinnen und Besuch im „Gürzenich“, dem vielleicht renommiertesten Festsaal in Köln, war deshalb groß.

Die Spannung löste sich dann allerdings Schritt für Schritt. Den ersten tat Arne Kayser, Landesvorsitzender der Aidshilfe NRW. Mit einem Augenzwinkern verkündete er als „zweites Coming Out“, dass er Pfarrersohn sei und in einem evangelischen Pfarrhaus aufgewachsen sei. Sein Vater habe sich schon vor fast zwanzig Jahren für die Akzeptanz von homosexuellen Beziehungen eingesetzt. Die evangelische Kirche sei kein „homophober Block“, vielmehr habe er sie an vielen Stellen als aufgeschlossen erlebt.

Kompassnadel soll Mut machen

Den zweiten Schritt zu einer entspannten Atmosphäre tat Markus Herzberg, Pfarrer an der Antoniter Citykirche in Köln, selbst verpartnert. Er sprach offen aus, „dass nicht wenige innerhalb der Szene die Stirn in Falten legten, als bekanntgegeben wurde, dass einem Kirchenmann die diesjährige Kompassnadel verliehen wird“. Mit einem Zitat von Desmond Tutu, dem anglikanischen Altbischof aus Südafrika, legte
Herzberg quasi ein Schuldbekenntnis ab: „Wenn die Kirche so viel Zeit in Liebe und Gerechtigkeit investiert hätte, wie in die Abwehr der Homosexualität, dann sähe unsre Welt anders aus.“ Herzberg ergänzte: „Damit trifft Tutu einen Teil einer traurigen Geschichte. Die Kirchen waren und sind eine Institution, die ganz viel am Unrecht und der Unterdrückung von Homosexuellen und sexueller Vielfalt mit
verursacht hat, und sie tragen darum eine große Schuld und Last auf ihren Schultern.“ Dafür erhielt Herzberg anerkennenden Beifall und es wurde spürbar, dass eine Aussöhnung zumindest zwischen der evangelischen Kirche und den Homosexuellen begonnen hat. Laudator Herzberg wies darauf hin, dass die Kompassnadel Volker Jung und anderen in der Kirche Mut machen solle, an diesem eingeschlagenen Weg festzuhalten und ihn weiterzugehen. „Vielleicht kann es so möglich sein, eine glaubhafte Kirche zu sein, die an der Seite derer steht, die andere an den Rand stellen wollen.“

"Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut!“

Kirchenpräsident Volker Jung führte diesen Gedanken in seiner Dankesrede weiter. Er erläuterte, warum sich viele Christen „so schwer tun“ Homosexualität zu akzeptieren, dazu müssten sie „die Bibelstellen, in denen Homosexualität abgelehnt wird, kritisch prüfen“. Dies sei dringend geboten, denn „an keiner der Stellen wird Homosexualität als eine mögliche Grundveranlagung von Menschen gesehen“. Ersten Szenenapplaus bekam Jung mit seiner Aussage: „Es geht darum, Homosexualität theologisch als Teil der Schöpfung zu verstehen, für die das gilt, was in der ersten Schöpfungserzählung mit folgenden Worten gesagt ist: Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe,
es war sehr gut!“ Die immer wieder vertretene Position „Wir wollen homosexuelle Menschen nicht diskriminieren, aber gelebte Homosexualität bleibt Sünde“ bezeichnete Jung als „theologisch nicht akzeptabel und unbarmherzig, denn sie ist nicht lebbar“.
Anerkennender Szenenapplaus kam auch dafür von Herzen.

Jung forderte, dass die theologischen Debatten darüber nicht nur in den evangelischen Kirchen, sondern auch in der weltweiten Christenheit, in der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen und auch in den anderen Religionsgemeinschaften geführt werden. Jung nahm die Ehrung stellvertretend für die an, die an dem EKD-Familienpapier gearbeitet und es in den „hitzigen Debatten“ verteidigt haben, sowie für „die vielen Menschen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und in den anderen
evangelischen Kirchen in Deutschland, die sich seit vielen Jahren für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in unseren Kirchen einsetzen.“

Jury hob Jungs Rolle bei der Diskussion um das Familienpapier hervor

Die Jury hatte die Preisverleihung damit begründet, dass Dr. Volker Jung als leitender Geistlicher an dem Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland, das den Stellenwert von Lesben, Schwulen, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Regenbogenfamilien auf nachhaltige Weise theologisch neu definiert habe, maßgeblich mitgewirkt hat. Ihr Leitgedanke sei „nicht mehr die Form, sondern die Art des
Zusammenlebens, und niemand soll sich wegen ihrer oder seiner Sexualität verstecken müssen.“ Jung setze sich, so die Jury, auch weiterhin dafür ein, dass dieses vielfältige Familienbild trotz aller Kritik Einzug in das Selbstverständnis der Evangelischen Kirche in Deutschland halte. Die Orientierungshilfe habe erhebliche in innerkirchliche Kritik hervorgerufen, denen sich Volker Jung beharrlich gestellt
habe. Gewürdigt wurde auch, dass in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau seit mehr als zehn Jahren Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare möglich sind und nun auch als Amtshandlung den Trauungen gleichgestellt worden seien.

Jung erhielt die Kompassnadel, die für eine Person aus dem öffentlichen Leben bestimmt ist. Die zweite Kompassnadel, die ehrenamtliches Engagement ehrt, erhielt der Duisburger Wulf Thomas für sein besonderes Engagement in schwulen Lebenszusammenhängen, zum Beispiel als Mitbegründer der AIDS-Hilfe Duisburg/Kreis Wesel und der homosexuellen Kulturtage seiner Heimatstadt.

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