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Glaube

Gott preisen, trotz furchtbarer Flucht

Jakob DettmarGottesdienst in der Oromo-Gemeinde in Frankfurt

Die Oromo-Gemeinde in Frankfurt feiert Gottesdienst ganz anders: Mit viel Musik und lauten Predigten. Mit dabei sind viele Geflüchtete aus Äthiopien. In ihrem Heimatland wurden sie verfolgt und gefoltert - hier können Sie ihren Glauben und ihre Kultur leben.

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Anzug statt Talar, durch die Kirche laufen statt hinterm Pult stehen - die Predigt in der Oromo-Gemeinde ist lebhaft. Musik spielt eine große Rolle: Vor der Predigt wird über eine Stunde lang Lobpreis gesungen. Begleitet wird der Gesang durch das Keyboard, inklusive Drumbeats. Der Beamer projiziert die Liedtexte auf die Wand - auf Oromisch. Mit dem Smartphone filmen im Gottesdienst? Erlaubt. Der Predigttext liegt auch digital vor. Ungefähr 30 Menschen hören der Predigt von Fraol zu. Nach dem Lobpreis… …gibt's dann auch Mittagessen. Alle zusammen natürlich.

Gottesdienst feiern - das nimmt die Oromo-Gemeinde in Frankfurt wörtlich: Die ganze Gemeinde steht auf, klatscht und singt aus voller Brust die Texte, die über den Altar mit einem Beamer an die Wand geworfen werden. Es sieht eher nach einem Fest, einer Party aus, als nach einem Gottesdienst. Der Vorsinger ist Fraol - er leitet den Chor der Gemeinde, voller Enthusiasmus, voller Freude. In seinem Heimatland Äthiopien wurde er gefoltert: „Manchmal wollte ich lieber sterben, als das weiter zu ertragen“, sagt er über diese Zeit.

„Sie behandeln dich nicht wie einen Menschen, sie schlagen und treten dich“

Die Oromo sind eine ethnische Gruppe, die vor allem in Äthiopien lebt. Viele gehören dem christlichen Glauben an. Obwohl sie dort die größte Volksgruppe stellen, werden sie von der Regierung unterdrückt, diskriminiert und zum Teil verfolgt und umgebracht. Fraol erzählt, dass er zwei Jahre lang im Gefängnis war - ohne Gerichtsverfahren, mit Folter. Irgendwann hatten ihn die Special Forces der äthiopischen Regierung festgenommen: „Du weißt nicht wann sie kommen und du weißt nicht warum. Sie behandeln dich nicht wie einen Menschen, sie schlagen und treten dich“.

„Wenn du über die Rechte von Oromos redest, bist du in den Augen der Regierung ein Terrorist“, beschreibt Negase Adugna Iticha, die vor eineinhalb Jahren nach Deutschland zu ihrer Schwester geflohen ist. Weil sie hier Familie habe, bekäme sie keine Unterstützung vom Sozialamt, erzählt sie. Auch Fraol wartet immer noch auf die Anerkennung seines Asyls - seit nun über zwei Jahren. Nicht mal zu einer Befragung hätten sie ihn geladen, sagt er. „Wir brauchen Freiheit in unserem Land und wir haben sie hier in Deutschland bekommen“, ergänzt er.

Aber die Gedanken vieler geflüchteter Oromo kreisen nicht um die eigene Situation in Deutschland, sondern um die der eigenen Familie und des eigenen Volks in Athiopien. „Das ist nicht mein Zuhause, denn Zuhause sein, ist nicht nur in Freiheit sein. Meine Familie ist nicht hier. Ich muss immer daran denken, dass sie leiden“, erzählt ein anderer Geflüchteter. „Wir ringen darum, der Welt klarzumachen, dass die Oromo unterdrückt werden. Unser Fall kommt nicht auf die politische Tagesordnung. Wo ist da die Gerechtigkeit?“, fragt Fraol.

„Flüchtlingsarbeit erster Güte“

Ein Ankerpunkt für die Geflüchteten ist die Oromo-Gemeinde in Frankfurt. Hier wird der Gottesdienst in ihrer Sprache gehalten und sie können sich mit anderen Geflüchteten austauschen: „Wie hast du dich in diesem Land zurechtgefunden?“

„Das ist Flüchtlingsarbeit erster Güte, weil hier ganz viel Menschen begleitet werden, ohne einen großen Aufwand betreiben zu müssen“, sagt Gisela Egler-Köksal. Sie ist Pfarrerin der Christus Immanuel Gemeinde, die sich mit der Oromo-Gemeinde und einer serbisch-orthodoxen Gemeinde die Christuskirche in Bockenheim teilt - als ökumenisches Zentrum. „Wenn wir ohne große Wahl in ein neues Land müssten, und jeden Tag mit neuen Eindrücken konfrontiert wären, dann würden wir es auch zu schätzen wissen, mal in einem geschützten, vertrauten Rahmen zu sein, in dem man sich verständigen kann“, sagt sie.

In der Gemeinde können Geflüchtete sich geborgen fühlen und ihre Fähigkeiten ausleben

Merga Negeri, der Pfarrer der Oromo-Gemeinde, weiß aus eigener Erfahrung um die Probleme der christlichen Oromo, wenn sie nach Deutschland kommen: „Sie suchen nach Gott, aber wenn sie in einen deutschen Gottesdienst gehen, verstehen sie die Sprache nicht.“ Deswegen versucht die Gemeinde, Geflüchteten aus ganz Deutschland zu ermöglichen, die Gottesdienste zu besuchen.

An den großen Feiertagen wie Ostern, Weihnachten und Pfingsten veranstaltet die Gemeinde sogenannte Konferenzen: Das heißt drei Tage lang Gottesdienst, Lobpreis, Musik, gemeinsames Essen. Die Geflüchteten wohnen in dieser Zeit bei Gemeindemitgliedern, die Bahntickets bekommen sie auch bezahlt. „Die Leute fühlen sich wohl - und das ist wichtig, weil sie oft alleine sind, weil sie ihre Familie verlassen mussten. Das ist eine große Geborgenheit“, erklärt Negeri. Egler-Köksal ergänzt: „Menschen, die in unserer Gesellschaft im Wartestand gehalten werden, finden in dieser Gemeinde einen Raum, wo sie ihre Kompetenzen und Fähigkeiten einbringen können. Flüchtling sein ist ja nichts, was einen Menschen zu hundert Prozent ausmacht: jemand ist Flüchtling und Chorleiter, jemand ist Flüchtling und Prediger oder Flüchtling und Ingenieur. Es ist eine ganz starke Bereicherung für unsere Gemeinde“.

Weltweite Gemeinschaft ganz konkret

Das gilt nicht nur für die Oromo-Gemeinde, sondern auch für die anderen beiden Gemeinden im ökumenischen Zentrum. „Wir sind hier im Alltag Teil der weltweiten Gemeinschaft, und nicht nur auf eine abstrakte Art und Weise“, sagt die Pfarrerin. Zweimal im Jahr feiern die Gemeinden zusammen Gottesdienst, die restliche Zusammenarbeit ist eher informell. Das soll sich aber ändern: Dafür soll der Kirchenvorstand der Christus Immanuel Gemeinde jetzt mit Gemeindemitgliedern aus allen drei Gemeinden besetzt werden.

Für viele Oromo ist die Gemeinde ein Ort für die Seele. Es sei nicht einfach, bei all dem Leid so fröhlich einen Gottesdienst zu feiern, erzählt ein Geflüchteter. „But you have to worship God, in every situation. Ich schöpfe viel Kraft dadurch, das mit durch diese Probleme hilft“.

Politische Situation in Äthiopien

In Äthiopien herrscht ein starker Konflikt zwischen den Oromo und der Regierung: Die Oromo stellen zwar den größten Teil der Bevölkerung (35 Prozent, Stand 2007), die Regierung besteht aber größtenteils aus einer anderen Gruppe, den Tigray, die aber nur etwa sechs Prozent der Bevölkerung ausmachen. Die Oromo fühlen sich daher politisch nicht repräsentiert. Zudem achtet die Regierung Menschenrechte wie Meinungsfreiheit nicht, wie Amnesty International in ihrem Bericht kritisiert. Ein Beispiel für die politische Unterrepräsentation: Da die Provinz Oromia, wo die meisten Oromo leben, reich an Ressourcen ist, verkauft die Regierung immer wieder Land an ausländische Investoren - die Kleinbauern haben davon nichts. Gegen eine Bevormundung von der Regierung wehrt sich unter anderem auch die Partei der „Oromo Liberation Front“, die einen paramilitärischen Arm entwickelt hat, der immer wieder in Konflikt mit den Regierungstruppen kommt. „Auch wenn man nichts mit der Partei zu tun hat und nur für seine Menschenrechte eintritt, wird man sofort als Terrorist abgestempelt“, sagt Merga Negeri.

Nach Schätzungen von Amnesty International sind zwischen 2011 und 2014 5000 Oromo aufgrund ihres friedlichen Protestes ins Gefängnis gekommen - in vielen Fällen ohne Gerichtsprozess. Zudem bestehe immer die Gefahr, bei Demonstrationen von Sicherheitskräften getötet oder während der Gefangenschaft gefoltert zu werden.

[Jakob Dettmar]

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