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Britisches Unterhaus stimmt gegen Deal

Brexit-Chaos: Pfarrer warnt vor Unruhen in Irland

gettyimagesBrexit LondonBrexit London

Zum zweiten Mal hat das britische Parlament den Brexit-Deal mit der EU mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, mit 391 zu 242 Stimmen. Wie es jetzt weiter geht, ist völlig ungeklärt. Der größte Konfliktpunkt im Brexit-Streit bleibt der sogenannte Backstop: Durch ihn soll eine harte Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland vermieden werden. In Nordirland bahnt sich unterdessen ein bewaffneter Konflikt an, sagt der in Irland lebende Pfarrer Stephan Arras.

gettyimagesNordirlandNordirland

Seit dreieineinhalb Jahren arbeitet Arras jetzt in der Republik Irland. Dort ist er für die gesamte Insel als lutherischer Pastor der EKD zuständig. Er kommt viel herum, hält Gottesdienste in der Republik Irland und im zu Großbritannien gehörenden Nordirland. Die seit zwei Jahren andauernde Hängepartie um einen Brexit belastet die irische Insel dabei unterschiedlich, sagt Arras. „In der Republik sorgen sich viele um die heimische Wirtschaft. Großbritannien ist der wichtigste Handelspartner. Vor allem Kartoffeln und Fleisch liefert die Republik über Nordirland nach England.“ Sollte es eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland geben, könnte die EU die ausfallenden Exporte wohl kaum auffangen.

Bleiberecht vieler Deutscher in Nordirland fraglich

In Nordirland dagegen gingen die Bedenken über wirtschaftliche Engpässe hinaus. „Hier sind einige Menschen, mit denen ich sprach, regelrecht panisch.“ Komme es zu einem harten Brexit ohne Abkommen und damit einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland, sei das Bleiberecht vieler dort lebender Deutscher fraglich. Denn sie würden sich dann in einem Land aufhalten, das nicht mehr zur EU gehört. „Es gibt viele Deutsche, die mit Nordiren verheiratet sind und jetzt einen zusätzlichen britischen Pass beantragt haben, damit sie im Land bleiben können.“ Viele Nordiren beantragten zudem irische Pässe, um gegebenenfalls in die Republik Irland übersiedeln zu können.

Alter Konflikt könnte aufflammen: Menschen rüsten sich mit Waffen

Noch schlimmer sei aber, dass Nordirland vor einer neuen Eskalation seines historischen Konfliktes stehe. Arras nahm die ersten deutlichen Anzeichen dafür im vergangenen Jahr wahr,  als er eine Reisegruppe der EKHN durch Nordirland entlang der ehemaligen Grenzzäune führte. Diese Grenzzäune trennten einst die verfeindeten Protestanten von den Katholiken. 

Bei einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin eines ökumenischen Instituts vor Ort sagte diese dann, dass sich viele ihrer Bekannten bereits Waffen besorgt haben. Dabei griffen sie offenbar auf die immer noch existierenden Strukturen aus der Zeit des IRA-Terrors zurück. „Wörtlich berichtete uns die aus der Grenzregion stammende Frau: Sobald der erste Schlagbaum einer harten Grenze stehe, dauere es keine 24 Stunden und er wird in die Luft gesprengt“, so Arras. Die britische Regierung habe bereits etliche Sicherheitskräfte mobilisiert, um eingreifen zu können. „Ich gehe davon aus, dass gewaltsame Auseinandersetzungen wahrscheinlich sind“, sagt der Pfarrer.

Nordirlandkonflikt 2.0  - Religion tritt in den Hintergrund

Im Gegensatz zum Nordirlandkonflikt, der mit dem Karfreitagsabkommen 1998 beigelegt wurde, sei der jetzige Konflikt aber weniger religiös aufgeladen, erklärt Arras. Es gehe heutzutage vor allem um die Zugehörigkeit zu einem konkreten Staat: „Viele Nordiren begreifen sich als Briten – andere hingegen wollen keine Grenze zur Republik Irland.“ Politisch haben die Gegner einer Teilung Irlands vor allem in der Sinn-Féin Partei eine Heimat gefunden. Das Hauptziel  der Partei ist laut Programm eine Wiedervereinigung Nordirlands mit der Republik Irland.

Hoffnung auf zweites Referendum  

Um die bestehenden Konfliktlinien in Irland nicht weiter zu vertiefen, hofft Arras auf die Möglichkeit eines zweiten Referendums über den Brexit. „Es wurde ja geahnt, wie die Abstimmung über den Brexit-Deal ausgeht. Doch die britische Regierung will ein zweites Referendum unbedingt verhindern. Denn die derzeitigen Umfragen ergeben, dass  bis zu 60 Prozent der Briten nicht nochmal für einen Austritt Großbritanniens aus der EU stimmen würden“, so der Pfarrer.

Kirchen in Irland könnten Stabilitätsanker sein

Sollten alle Stricke reißen und Großbritannien ungeregelt aus der EU austreten, könnten aber die Kirchen in Irland eine Art Mittlerfunktion in der Bevölkerung einnehmen, prognostiziert Arras. „Für die Kirchen existiert die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland nicht. Wir werden unsere Arbeit auch als Mediator fortführen – egal was passiert.“

Der Nordirlandkonflikt kurz erklärt:

Anfang des 20. Jahrhunderts rebellierten die Iren gegen die englische Herrschaft. Seit dem Jahr 1922 ist der südliche Teil der Insel als Republik Irland unabhängig. Nordirland blieb hingegen Teil des Vereinigten Königsreiches. Dort leben deutlich mehr Protestanten als Katholiken. Im Laufe der 1960er Jahre begannen extremistische protestantische und katholische Gruppen sich zu bekriegen. Die Protestanten, die auf ihre englischen und schottischen Vorfahren verwiesen, forderten einen Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich. Die Katholiken kämpften für die Einheit der irischen Insel und einen irischen Nationalismus. Die bekannteste Gruppe der Katholiken war die IRA (Irish Republican Army). Auch das englische Militär wurde in die Kämpfe hineingezogen. Auch wenn die Extremisten sich bis heute als religiöse Gruppen verstehen, ist der Konflikt in erster Linie politisch ausgerichtet. 1998 wurde der Konflikt im sogenannten Karfreitagsabkommen weitgehend beigelegt. Dennoch existieren immer noch radikale Gruppen in Nordirland, die mit dem Abkommen nicht einverstanden sind.

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